Pakistan – mehr als nur eine Reise wert

Am Vorabend meines Rückflugs in den frühen Morgenstunden, kam mein paschtunischer Freund Wilayat, der zwischenzeitlich zu seinem Bauprojekt an die nahezu fertig gestellte Swat-Autobahn zurück kehren musste, noch einmal nach Islamabad.


Er ließ ein kleines Taxi vor dem Hotel warten und überredete mich zu einem nächtlichen Basarbummel mit in die City zu kommen. Zunächst besuchten wir die die Moderne zur Schau stellende Centaurus Shopping Mall. Klar, klimatisierter Konsumspaß inmitten von Glas, Edelstahl und Springbrunnenoasen versprechen im brütend heißen Sommer sicher eine willkommene Erfrischung, doch für mich war es einfach nur ein eher pompöses und steriles Einkaufszentrum, dass auch in einem anderen Land hätte stehen können. Im Taxihopping ging es dann weiter in die Innenstadt, wo wir auf einem riesigen Basar landeten. Es war bereits  stockdunkle Nacht. Doch an den weit mehr als 100 Ständen war noch richtig was los. Hier gab es einfach alles: Töpfe, Geschirr, Armreifen, Ohrringe, Henna-Paste, Armbanduhren, Taschen, Lederwaren, Kleider, Schuhe, Schals, Obst, Gemüse, Gewürze, Nüsse und Pakistani Food. Hier war ich ganz in meinem Element – eine faszinierende Atmosphäre.
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nichts an Ständen zu essen, aber das Hähnchen am Spieß roch verführerisch. Bei der Vorstellung dazu, noch ein gerade gebackenes Fladenbrot zu genießen, wurde ich schwach. Wilayat ermunterte mich hilfsbereit, mit meinen Krücken in den auf einem Podest platzierten Backofen zu blicken, wo die dünn ausgerollten Teigfladen mit einem geübten Schwung an die Wandung geklatscht wurden. Bereits nach wenigen Minuten warf der Teig erste knusprige Blasen und konnte, für Gaumen und Nase gleichermaßen betörend, verzehrt werden. Auch das an langen Spießen auf offenem Feuer gebratene und vor unseren Augen tranchierte und gewürzte Hähnchen erwies sich als einfach köstlich. Es wurde spät und so lohnte es sich nicht wirklich, sich noch schlafen zu legen, da mein Flug bereits in den frühen Morgenstunden gehen sollte. Da wir auch nicht noch einmal ein zweites Hotelzimmer für Wilayat bezahlen wollten, blieben wir wach. Zum Glück durfte er aber in meinem Hotelzimmer mit mir zusammen warten, was für pakistanische Verhältnisse schon sehr freizügig war. So half er mir, alle meine Sachen und die vielen Geschenke, die ich erhalten hatte, in meinem Rucksack zu verstauen. Dabei plauderten wir wieder wie lang Vertraute und nicht wie zwei, die kulturell kaum unterschiedlicher sein konnten, über Gott, Allah und die Welt.

Er fragte mich, ob er in meinem Zimmer beten dürfte. Klar, für mich war das sehr interessant, da ich ihn auch dabei fotografieren durfte. Die Richtung nach Mekka war am Nachttischchen mit einem großen Pfeil angezeigt. Ein Gebetsteppich, ja sogar ein Quran und Badelatschen, die nach dem Füße waschen angezogen werden, lagen im Schrank für die Gäste bereit.

Er bereitete den Gebetsteppich aus und begann fast lautlos murmelnd, ganz und gar in sich gekehrt sein Gebet. Ich verhielt mich mucksmäuschen still und war froh, dass meine Kamera keine Auslösergeräusche machte, wollte ich doch diesen Moment nicht stören. Eine Stunde nach Mitternacht erwartete uns mein Reiseleiter Sami im Halbdunkel des Foyers. Alle meine Speisen und Getränke hatte er bereits beglichen und so bedankte ich mich mit einem Trinkgeld bei den Mitarbeitern des Gästehauses. Die Fahrt zum Flughafen Benazir Buttho dauerte etwas länger, denn die Zufahrtsstraße war wegen der „Rumors“ noch immer gesperrt. Wie ich später bereits in Deutschland in den Nachrichten las, wurden genau an diesem Tag kurz nach meinem Abflug die Proteste, hinter denen manche Pakistaner wiedermal eine Inszenierung der USA argwöhnten, gewaltsam aufgelöst. Die traurige Bilanz über 200 Verletzte und 3 oder 4 Tote. Mein Reiseleiter verabschiedete sich schon auf dem Parkplatz und überlies es Wilayat, die fast drei Stunden bis zum Abflug mit mir zu warten. Ich tauschte die mir verbliebenen pakistanische Rupies zurück in Euro und war in Gedanken schon wieder zu Hause bei meinen Kindern. Ich war einfach dankbar, diese Reise überhaupt gewagt und dann auch wirklich genossen zu haben. Für Wilayat war es ein zu kurzes Schlaglicht auf ein modernes, sogar trotz Behinderung selbstbestimmtes Leben in Wohlstand, Aufgeklärtheit und relativer Sicherheit. Aber auch darauf, dass es zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen viele Gemeinsamkeiten geben kann. So lud er mich und meine Kinder auch im Namen seiner Familie ein, im nächsten Jahr wieder zurück nach Pakistan zu kommen. Gern würde ich dann noch weiter in Norden, wenn möglich entlang des Swat Tales nach Mingora und Kalam oder zum Kundol Lake. Mich fasziniert die raue und majestätische Schönheit der gigantischen schneebedeckten Berge, an deren Fuß naturgewaltige Flüsse vorbei strömen. Es gibt aber auch wunderschöne sanftere Landstriche im Norden, wo man glaubt, man stehe auf einer Schweizer Alm.Außerdem steht die Megacity Lahore, die historische Hauptstadt Punjabs auf meinem Programm. Ein pakistanisches Sprichwort besagt: Wer nicht ein Mal Lahore gesehen hat, hat nicht gelebt. Lahore gilt auch als eines der kulturellen Zentren. Ein Gegenbesuch von Wilayat nach Deutschland ist jedoch wegen der gegenwärtigen restriktiven Handhabung der deutschen Behörden praktisch aussichtslos.

2 Gedanken zu “Pakistan – mehr als nur eine Reise wert

  1. Nachdem ich den kompletten Reisebericht gelesen und vorab schon einige Eindrücke geschildert bekommen habe, muss ich sagen, es war sehr informativ, ergänzt durch persönliche Erlebnisse und Eindrücke. Ein Reiseführer hätte es nicht spannender und gleichzeitig unterhaltsam schildern können. Da hat das Lesen Spaß gemacht.

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